Memo
Helmut Brandt: ohne Titel

 
Am Anfang unseres Lebens werden wir zwangsernährt. Das Essen wird uns zunächst aufgezwungen. Deshalb ist das Essen kein harmloser unschuldiger Vorgang.
"Wir alle haben Essen zuerst als ein zwangsweises Ernährtwerden erfahren; als kleine Kinder wurden wir von anderen gefüttert, und durch die Nahrung, die sie uns in den Mund stopften, wurden wir vergewaltigt. Wir essen daher, um uns für diesen Mißbrauch zu rächen, den wir in der allerersten Zeit unseres Lebens über uns ergehen lassen mußten. Der zwanghafte Esser, der sich von der Nahrung angegriffen fühlt, versteht die wahre Bedeutung des Essens besser als der Gourmand, der meint, daß er aus eigenem Willensentscheid ißt, oder der Asket, der glaubt, daß er dem Gebot zu essen widerstehen kann. Alles Essen ist Zwangsernährung, und durch die Wunde, die durch das Gefüttertwerden entsteht, erhält das Andere Zugang und kann sich im Zentrum unseres Selbst einrichten."
Maud Ellmann, Die Hungerkünstler
Hungern, Schreiben, Gefangenschaft, 66f.
© 2011 Manfred Köhler
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