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Exkremente
Das Essen ist Anderenvernichtung, die sich im Körperinneren vollendet. Aber eben nicht ganz, denn es gibt die Exkremente, einerseits Dokumente der Vernichtungsgewalt der Verdauung, andererseits lebensrettende Manifestationen des Scheiterns des nutrimentalen Inzests (der als gelingender die vollständige Herstellung von Indifferenz wäre).
Die Nahrung ist der Mutterkörper, die Verdauung der Muttermord, die Exkremente sind die Mutterleibsreste, Dokumente des Muttermords. Insofern sind die differenzanmahnenden Exkremente weiblich-maternal.
Das Exkrement dokumentiert nicht nur das Scheitern des nutrimentalen Inzests - der Mutterkörper lässt sich nicht gänzlich assimilieren -, es ist auch der abgespaltene Einschluss der Indifferenz.
Das Scheitern des nutrimentalen Inzests will der exkrementale Inzest rückgängig machen, die Koprophagie versucht, den nutrimentalen Inzest zu vollenden. Die drohende tödliche Indifferenz in der Koprophagie hebt sich auf in der Herstellung der Dinge, die an die Stelle der Exkremente treten. Kultur verdankt sich dem Scheitern des exkrementalen Inzests.
Im Exkrement findet das Selbst eine Stütze, insofern es eine elementare Dingproduktion ist, Repräsentation eines Außen, in dem es sich zu fundieren sucht. Dieser Schutzes wird ihm geraubt In der Abtrennung und der Wegschaffung des Exkrements. Die Einverleibung der Nahrung ist der »innigste Inzest«, entsprechend schwierig ist die Hergabe der Exkremente und der Zwang zu ihrer Beseitigung (TDN, 153). An die Stelle der Produktion der unverwertbaren Exkremente tritt die der Dinge (die wie die Exkremente abgespaltener Einschluss der Indifferenz sind). Auf körperlicher Seite ist das Exkrement Abfall, im Übergang zu den Dingen wird es göttlich als Akkumulierung von Schuld.
Zur Archäologie der Gewalt; in: Todesnäherungen, 153
Anschlüsse
Man wird außerhalb der Pathognostik keinen Kontext finden, in dem das Exkrement als Mutterleibleiche, als Rest eines scheiternden Mutterinzests thematisiert wird. Allerdings finden sich Thematisierungen des Zusammenhangs zwischen Exkrement und selbtproduziertem Tod.
Norman O. Brown, Zukunft im Zeichen des Eros, 364f.:
"Exkremente sind das erstorbene Leben des Leibes, und solange die Menschheit es vorzieht, ein totes Leben zu leben, solange wird sie dazu verurteilt sein, nicht nur ihren eigenen Leib als Exkrement zu behandeln, sondern auch die Umwelt der Objekte, die alle zu toter Materie, zu anorganischen Größen reduziert werden."
Harry G. Frankfurt, Bullshit, 50f.:
"Die Exkremente sind gleichsam der Kadaver der Nahrung, der übrigbleibt, wenn die lebenswichtigen Elemente daraus extrahiert sind. In diesem Sinne stehen die Exkremente für den Tod, den wir selbst hervorbringen und in der Tat ganz unausweichlich hervorbringen, indem wir uns am Leben erhalten. Vielleicht finden wir Exkremente ja deshalb so abstoßend, weil sie den Tod zu einer derart intimen Angelegenheit machen."
Abkürzungen der zitierten Werke:
AML = Aus meinem Leben. Posteriore Urszenen
APA = Apokalypse des Abbilds
HPS = Hinführung zu einer Psychoanalyse der Sachen (Pathognostik)
HTH = Hype-Thinking
KAU = Kaum (1-4)
KFO = KoreFashionista
KML = Kainsmale
LDK = Leib - Ding - Körper (I-III)
LIZ = Logik und Inzest (I-III)
LPG = Lectiones pathognosticae
LUI = Logik und Inzest (Die Eule Nr. 4)
MAT = Minora aesthetica
MTA = Metastasen
OAT = Omissa aesthetica
ODC = Oedipus complex
PAK = Psychoanalyse und Kantianismus
PGS = Pathognostische Studien (I-XIII)
PIV = Pathognostische Interventionen (I-VI)
RET = Retro (I-III)
RSD = Rückstände
RVL = Revival (1-4)
TDN = Todesnäherungen
TRT = Traum - Traum 1999
TTS = Taumel und Totenstarre
UDS = Die Utopie des Sadismus (Die Eule Nr. 3)
VIO = Violentiae
ZRS = Zerstreuungen