"Aus dem Leben als Ganzem einen gediegenen Block zu machen, den man vor sich hinhalten kann und fest umschließen kann, die Hoffnung endlich, das Nichtssagende des Lebens mit dem Nichtvorhandensein eines Werks zu vereinigen und so das nichtssagende Leben bis zum überraschenden Glücksfall der Kunst emporheben zu können und die formlose Kunst bis zur einzigartigen Wahrheit des Lebens: die Verschlingung all dieser verschiedenartigen Motive läßt das Tagebuch zu einer Rettungsanstalt werden: man schreibt, um das Schriftliche zu retten, um sein Leben durch die Niederschrift zu retten, um sein kleines Ich zu retten."
Maurice Blanchot, Der Gesang der Sirenen, 255

Schreiben eines Tagebuches ist Ausdruck einer Schwäche. Man versucht, etwas von sich zu retten, sich das Gefühl zu geben, eine Geschichte, ein Schicksal zu haben, aber man weicht dem Anspruch aus, aus seiner Erfahrung etwas zu schaffen, das aus sich selbst lebt und sich von einem löst. Stattdessen bleibt man kleben an der eigenen Geschichte, kann sich nicht von ihr befreien, indem man sie verwandelt.
Das stimmt so allerdings nur, wenn es beim Tagebuch bleibt, wenn nichts darüber hinaus entsteht.



Blanchot, Maurice: Der Gesang der Sirenen. Essays zur modernen Literatur. Frankfurt am Main: Ullstein Materialien, 1982