"Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? Damit es uns glücklich macht, wie Du schreibst? Mein Gott, glücklich wären wir eben auch, wenn wir keine Bücher hätten, und solche Bücher, die uns glücklich machen, könnten wir zur Not selber schreiben. Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder verstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns."
Franz Kafka, Briefe 1902-1924, 27f.

Wenn wir Bücher lesen, die uns gefallen und deren Lektüre wir genießen, weil ihre Inhalte uns nicht in Frage stellen, werden wir uns an diese Bücher später kaum erinnern. Die Bücher hingegen, mit denen wir gekämpft haben, die uns gequält und uns in unseren Gewissheiten erschüttert haben, werden zu einem Teil unseres Lebens.



Kafka, Franz: Briefe 1902-1924. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, 1983